Wissenschaftliche Begleitung: Poolmodell in der schulischen Eingliederungshilfe in Ostholstein

Das Deutsche Institut für Sozialwirtschaft (DISW) hat den Fachdienst Soziale Dienste der Jugendhilfe des Landkreises Ostholstein bei der Qualitätsentwicklung der schulischen Eingliederungshilfe wissenschaftlich begleitet.

Ein Poolmodell der Schulbegleitung wurde partizipativ entwickelt und die Umsetzung der erprobten Poollösungen evaluiert.

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Der Gesamtbericht kann hier heruntergeladen werden.

Die untenstehende Zusammenfassung kann hier heruntergeladen werden. In dem Download sind weitere Illustrationen zur Veranschaulichung enthalten.


Autor*innen

Autoren: Henning Kiani, Prof. Dr. Andreas Langer

Unter Mitarbeit von: Georg Horcher, Annette Beyer, Jemima Neubert, Alexa Vaagt


Zusammenfassung der wissenschaftlichen Begleitung

Die wissenschaftliche Begleitung des DISW bestand aus drei Teilen:

  1. Partizipative Konzepterstellung: Das DISW begleitete Vertreter*innen des Landkreises, der Schulen und der Leistungserbringer. Unter dem Leitziel „Kinder erhalten die bestmögliche Inklusion in der Schule“ und weiteren Teilzielen wirkten die beteiligten Professionen an einer Konzepterstellung für sieben Schulen des Landkreises mit. Es wurde unter Beteiligung von Leistungserbringer, Leistungsträger und Schule eine Modellkonzeption für die jeweilige Schule erstellt.
  2. Formative Evaluation: Ab November 2020 wurde das Poolkonzept an den sieben Schulen umgesetzt. Während der Umsetzung führte das DISW Befragungen und Gruppendiskussionen mit beteiligten Fachleuten durch, um zu erheben, an welchen Stellen die Umsetzung gut funktioniert und welche Änderungsbedarfe es gibt. So konnte die Umsetzung der Poolkonzeptionen mit der begleitenden Evaluation noch in der Modellphase angepasst werden.
  3. Summative Evaluation: Ab Mai 2022 führte das DISW Befragungen, Fokusgruppengespräche und Interviews durch. Teilnehmer*innen dieser Erhebungen waren neben den beteiligten Fachleuten nun auch Eltern und Kinder. Durch diese abschließende Evaluation wurde erhoben, inwiefern Leit- und Teilziele erreicht wurden und welche Maßnahmen bei einer erfolgreichen Implementierung des Poolmodelles im gesamten Kreis Ostholstein unterstützen können.

Im nun vorliegenden Gesamtbericht können alle Schritte der partizipativen Konzepterstellung, die anonymisierten Ergebnisse der Evaluationen und die daraus resultierenden Handlungsempfehlungen nachgelesen werden.

Im Folgenden sind ausgewählte Ergebnisse und Handlungsempfehlungen des Evaluationsprozesses stark zusammengefasst.


Ergebnisse der Evaluation: Perspektive Schule

Alle Ergebnisse aus Perspektive der Schulakteure: Gesamtbericht, S. 26-99 und S. 138-145.

Die Vorteile des umgesetzten Poolmodelles:

Professionen tauschen sich aus und vernetzen sich.

Aufwertung der Rolle und flexibler Einsatz von Schulbegleitungen.

Pooleinsatz und Steuerung in der Schule ergeben Synergieeffekte.

Folgende Gelingensfaktoren sind notwendig für eine erfolgreiche Umsetzung:

Schulakteure – v.a. Schulbegleitungen – sind Teil eines Teams.

Komplexere Aufgaben der Schulbegleitungen erfordern bessere Qualifizierung.

Team Schulbegleitung ist im Schulalltag integriert.


Ergebnisse der Evaluation: Perspektive der Eltern

Alle Ergebnisse aus Perspektive der Eltern: Gesamtbericht, S. 100-126 und S. 151-163.

Die Vorteile des umgesetzten Poolmodelles:

Antragsfreiheit ermöglicht kurzfristige Unterstützung ohne Labeling und Behördengänge.

Der Pool bietet Chancen für Kinder ohne festgestellten Bedarf, Klassengemeinschaft und Inklusion.

Die Unterstützung im Pool ist nicht abhängig von einer Schulbegleitung.

Folgende Gelingensfaktoren sind notwendig für eine erfolgreiche Umsetzung:

Alle Eltern sind über Rolle und Tätigkeiten der Schulbegleitungen im Schulalltag informiert.

Kontakte zwischen Eltern und Schulbegleitungen sind in Abläufe des Schulalltages integriert.

Schulbegleitungen verfügen über ausreichend Kenntnisse, um sich gegenseitig vertreten zu können.


Ergebnisse der Evaluation: Perspektive der Leistungserbringer

Alle Ergebnisse aus Perspektive der Leistungserbringer: Gesamtbericht, S. 26-99 und S. 127-137.

Die Vorteile des umgesetzten Poolmodelles:

Koordination erfolgt durch einen Leistungserbringer an einer Schule.

Es liegen zum Teil bessere Arbeitsbedingungen für Schulbegleitungen vor.

Das Budget an einer Schule wird flexibel und bedarfsorientiert eingesetzt.

Folgende Gelingensfaktoren sind notwendig für eine erfolgreiche Umsetzung:

Es liegen ausreichend Ressourcen für Koordinationstätigkeiten vor.

Es erfolgen geeignete Teambuilding-Maßnahmen für Schulbegleitungen und Schulpersonal.

Das Budget wird transparente angepasst.

Es liegen klare Rahmenbedingungen zur Implementierung des Poolsystems vor.


Zielerreichung

In diesem Abschnitt wurde zusammengefasst, inwiefern die selbstgesteckten Ziele im Rahmen der Modellumsetzung erreicht wurden (vgl. Gesamtbericht, S. 192-194).

Leitziel Inklusion: „Kinder erhalten bestmöglichen Teilhabechancen und -möglichkeiten in der Schule“

Teilhabe verbessert für Kinder mit festgestelltem Hilfebedarf und ohne leistungsauslösenden Tatbestand.

„Zusammenhalt im Klassenverband“ ist laut Akteuren und Eltern eher verbessert.

Mehr Teilhabe vor allem für Kinder möglich, die vorher keine Einzelfallhilfen erhalten haben.

Es besteht das Risiko, dass Kinder, die Einzelfallhilfen erhalten haben, verminderte Leistungsintensität erhalten. Einzelfallhilfe ist jedoch in Hinblick auf Erreichung von Bildungs- und Erziehungszielen nicht automatisch besser als gruppen- bzw. schulklassenbezogene Leistungen.

Teilziel: Kinder mit individuellen Unterstützungsbedarfen und Teilhaberechten stehen im Mittelpunkt

Das Ziel wurde überwiegend erreicht, mehr gleichberechtigte Bildungsteilhabe ist möglich.

Die Hilfeplanung kann durch Leitung des Team Planung näher an den Schulen sein, personeller Wechsel und Ausfall von Team-Treffen schmälern Erfolg.

Durch begrenzte Ressourcen ist der individuelle Hilfebedarf nicht bei allen Kindern gedeckt.

Es wurden selten neue Angebotsformen im Sozialraum erprobt.

Teilziel: Zusammenarbeit an Schnittstellen von Schule, Jugend- und Eingliederungshilfe ist optimiert

Die Zusammenarbeit von Schulbegleitungen und Lehrkräften ist verbessert.

Schulassistenz wird nicht mit einbezogen, Zusammenarbeit mit Hilfeplanung ist eher rückläufig.

Teilziel: Relevante Öffentlichkeit ist informiert

Den Eltern von Nicht-Fokuskindern ist die Schulbegleitung meist nicht bekannt.

Die Eltern von Fokuskindern fühlen sich oft unvollständig informiert.

Teilziel: Schule ist mitsteuernder Akteur bei Gestaltung

Schulbegleitungen sind integraler Bestandteil im Schulalltag.

An einige Standorte hat eine gleichberechtigte Zusammenarbeit mit Schulbegleitungen begonnen, erfolgreiche Zusammenarbeit stellt Lehrkräfte und Schulbegleitungen zufrieden.

Die Unterstützung von Kindern in Verantwortungsgemeinschaft ist gewährleistet, jedoch für Eltern selten sichtbar.

Der Begriff „Verantwortungsgemeinschaft“ wird nicht insgesamt mitgetragen.

Die Bedarfe schulischer Förderung bleiben eher ungenau, einheitliche Kriterien zur Identifikation der Fokuskinder werden von Akteuren gefordert.

Teilziel: Beauftragte Leistungserbringer haben Planungssicherheit

Das Ziel wurde größtenteils erfüllt. Kontinuität und Qualität ist nicht immer gegeben. Arbeitsbedingungen für die Schulbegleitungen verbessern sich (nicht durchgängig).

Unterstützung von Kindern mit (drohender) Beeinträchtigung ist gesichert, Einschränkungen bestehen bei vollumfänglicher Unterstützung.

Qualitätseinbußen liegen wegen fehlender Weiterbildung und niedrigen Fachkraftquoten bei den Schulbegleitungen vor.


Handlungsempfehlungen

In diesem Abschnitt sind die Handlungsempfehlungen für eine erfolgreiche Implementierung des Poolsystems im gesamten Kreis Ostholstein zusammengefasst (vgl. Gesamtbericht, S.186-191 und S. 195-199).

Gemeinsam geteiltes Leitbild vor Einführung der Poollösung:

Vor der Einführung des Poolmodells sind Grundsatzdebatten zwischen beteiligten Akteuren abgeschlossen und grundlegende Entscheidungen getroffen.

Prozessentwicklung:

Übergänge sind geregelt zwischen Einzelfallhilfen und Poolversorgung.

Transparenz: Rahmenbedingungen und Berechnung der Ressourcen

Eindeutiger Rahmen für Team Schulbegleitung und Team Planung liegen von Beginn an vor.

Dem wahrgenommen Zeit- und Ressourcenmangel wird durch eine transparente Ressourcenberechnung begegnet.

Beteiligung der Eltern

Frühzeitige gemeinsame Information der Eltern von Akteuren aus Schule, Leistungserbringer und Leistungsträger.

Die Elternvertretungen werden in die Kommunikation eingebunden.

Synergieeffekte nutzen

Innerhalb des Pools sind intensive, bedarfsgerechte Begleitungen mit personeller Kontinuität möglich.

Diese Option wird deutlicher betont.

Expertise der Schulbegleitungen

Die Beobachtungen der Schulbegleitungen werden als zusätzliche Perspektive auf Kinder und Klassenverband genutzt.

Schulbegleitung werden durch strukturierte Weiterbildung und Qualifizierung gestärkt. Dies betrifft auch die inklusive Haltung der Schulbegleitungen.

Fachkräfteanteil

Ein hoher Fachkräfteanteil der Schulbegleitungen ist wünschenswert oder notwendig.

Die vorhandenen Fachkräfte werden gezielt eingesetzt.

Arbeitsbedingungen der Schulbegleitungen

Es bestehen klare Pausenregelungen und -möglichkeiten.

Es liegen langfristige Arbeitsverträge vor.

Die Zugehörigkeit zur Schule wird gestärkt, z.B. durch…

  • geteilten Pausenraum
  • Zugang zum Lehrerzimmer
  • Mobiliar im Lehrerzimmer
  • Tisch neben dem Lehrertisch in Klassenräumen
  • gleiche Kleidungselemente

Freiwillige Poolbildung in Region

Die Modellhafte Poolregion war ohne Mehrwert, daher sollte ein freiwilliges Pooling zwischen Schulen nach Etablierung des schulbezogenen Pools ermöglicht werden.

Beteiligung der Eltern

Eltern werden frühzeitig gemeinsam von Akteuren aus Schule, Leistungserbringer und Leistungsträger informiert.

Die Elternvertretungen werden in die Kommunikation eingebunden.